Die Gräben werden tiefer! Dann müssen die Lösungen es auch werden!
Von Marco Helmert
Das, was sich gestern in Dresden in Form von teilweise offenen Hass über die anwesenden Politiker anlässlich der Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung ergossen hat, waren wahrlich keine erfreulichen Bilder, doch es wäre viel zu kurz gegriffen, dies jetzt wieder als sächsisches Sonderproblem bagatellisieren und erklären zu wollen.
Im Gegenteil, ich finde es symptomatisch für das Phänomen immer tiefer werdender Gräben zwischen der „alternativlosen“ Politik auf der einen – und immer größer werdenden Gruppen von Menschen, die ihre Unmut nur noch so ausdrücken wollen, auf der anderen Seite.
Und auch letztere findet man innerhalb verschiedenster Lager nun immer häufiger.
Solche Bilder wie in Dresden und in Sebnitz sind auf Dauer unerträglich und ich wünsche mir eine andere Art des Zusammenlebens, Debattierens und „in Kontakt seins“ und ich spüre auch, dass die derzeit vorherrschende brodelnde Wut ein wahres Pulverfass für die Zivilgesellschaft ist.
Was machen wir jetzt damit? Die Strategie des Ignorierens, Bagatellisierens, Schuldzuweisens, Labelns und Ausgrenzens kann getrost als gescheitert betrachtet werden und das sollten die aktuellen Wahlergebnisse auch eindrucksvoll unterstrichen haben.
Dresden gestern war vielleicht auch ein weiterer Vorgeschmack, in welche Richtung es geht, wenn nicht bald andere Lösungsansätze als die bisherigen versucht werden.
Auf der einen Seite aufgeladene, voller Wut brüllende Protestler, auf der anderen Seite irgendwie entrückt wirkende Politiker, die auf die Szenerien schauen, als wären sie auf einem Zoobesuch, sich nun wundernd Respekt und Dialog einfordern, nachdem sie jahrelang zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung den Umgang mit Pegida und AfD tabuisiert, dämonisiert und viele Menschen (die zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht radikalisiert waren) pauschal mit in eine „dunkeldeutsche“ Naziecke gestellt haben. Viele haben vor dieser undifferenzierten Vorgehensweise gewarnt – nicht zuletzt der Psychoanalytiker Dr. Hans-Joachim Maaz.
Nun haben wir langsam immer stärker werdende aufgeladene Pole und gruppenbezogen menschenfeindliche Projektionen und das möchte ich betonen, nicht nur auf einer Seite!
Immer leichter werden nun je nach Standordbestimmung pauschal die Labels verteilt und dabei ist es egal, ob es sich hierbei um „Gutmenschen“, „die Sachsen“ , „Systemlinge“, „dumme Kälber“, „Pegidianer“, „braune Mischpoke“ , „linksgrün Versiffte“, „Schlafschafe“, „Lügenpresse“ , „Putinversteher“, „die Querfront“, „Verschwörungstheoretiker“ oder „Volksverräter“ handelt.
Immer klebt zum Schluss das Label drauf und die jeweilige Gruppe ist dann in einer Schublade, ohne jede Differenzierung oder der Notwendigkeit eines Dialoges. Wozu auch? Der Titel erklärt doch den Inhalt, wozu also noch das Buch lesen?
Was unserer Gesellschaft im Moment wirklich fehlt, ist zum einen eine ausbalancierte Differenzierung, zum anderen eine Dialogbereitschaft und das wirkliche Analysieren von Ursachen. Also zum Beispiel das Ernstnehmen von verschiedenen Ängsten und den tieferen dahinterliegenden Bedürfnissen. Ein erstes zartes Pflänzchen in eine solche Richtung ist zum Beispiel der Bürgerdialog in der Dresdner Kreuzkirche und weitere Initiativen verschiedener Menschen aller Couleur. Auch ich versuche mit der gemeinsam mit Tom Küchler entwickelten WOWAHA (Lakota – Frieden) Strategie Dialogbrücken zur Deeskalation zu bauen, um ein immer größer werdendes Aufheizen wieder etwas abzuschwächen.
Allerdings ist dies der steinige und schwierigere Weg und es werden auch viele dieser mahnenden und Dialog suchenden Pflänzchen von verschiedenen Zeitgenossen gleich wieder plattgefahren, zu tief sind die Gräben inzwischen, zu groß ist der einseitige Positionierungsdruck und die Konstrukte der Pauschalisierung und Dämonisierung der letzten Monate geworden.
Und das macht Angst und es fälllt schwer, hier immer optimistisch zu bleiben.
Ich kenne inzwischen viele ganz normale und unpolitische Menschen, die aufgrund der spürbaren Anspannungen mittlerweile Angst vor einem drohenden Bürgerkrieg haben.
Und statt vielfältigen politischen Pluralismus mit seinen bunten und vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten müssen wir im Moment aufpassen, nicht nur eine „alternativlose“ politisch korrekte Einheitsmeinung auf der einen- und eine dagegen anrennende extreme Gegenpolarisierung auf der anderen Seite zu kreieren, die dann ganz gewiss auch nicht als wirkliche Alternative für Deutschland taugt.
In der gesellschaftlichen Kultur wird nach wie vor immer häufiger lieber ausgegrenzt, abgespalten, distanziert, unterstellt und pauschalisiert, Unternehmen erteilen ihren Mitarbeitern Kritikverbote und wehe dir, du hast „den Falschen“ in deiner Freundesliste.
Unsere so hochgehaltene Meinungsfreiheit ist in der Wahrnehmung vieler Menschen „in praxi“ zu einer Farce verkommen.
Im Internet tummeln sich im Moment einerseits unerträglich viele Hasspostings, die Grenzen schon lange überschritten haben, viele Kommentare sind einfach nur noch menschenunwürdig.
Und es scheint andererseits mittlerweile auch schon Volkssport geworden zu sein, dass selbsternannte Demokratiebeschützer und Gutachter Profile nach verdächtigen Links, verdächtigen Freundeslisten, Unregelmäßigkeiten, „politikal incorrectness“ absuchen und nach eigenem Gusto- und Gutdünken Urteile verhängen, anschwärzen und diffamieren ohne jemals das Gespräch zu den betreffenden Personen gesucht zu haben – oder den Kontext erfahren- und verstehen zu wollen. Da wird schon mal mit viel Leidenschaft eine Timeline auf Jahre zurückverfolgt, Hauptsache man wird fündig: Treffer – versenkt! Chronologisch spätere Veränderungen der gefundenen Aussagen, aus dem Kontext gerissene Aussagen oder gar Unwahrheiten? Egal!
Hauptsache fündig geworden! Und außerdem: Einmal böse, immer böse! Und wer Brücken bauen will, ist immer Querfront, denn mit „den Rechten“ redet man nicht! Dies schreibe man sich mal ganz schnell hinter die Ohren!
Stasi reloaded!
Sind wir schon wieder mal soweit?
Dialog? Nein !!!!
Schreien auch jetzt noch viele. Nicht, dass hier noch einer zum „Wutbürgerversteher“ wird. Die vorgeschlagenen „Rezepte“ statt dessen Knüppel, Abgrenzung, Abspaltung und nur noch Gegenkulturen!!! „Gegen“ und ganz viel „Anti“ und das leider wieder überall je nach Standortbestimmung.
Und dass sich hier gar keiner ausgenommen fühlt! Ich meine uns alle!
Denn es geht uns alle an!
Was für wunderschöne Schlagschatten wir gerade wieder produzieren, welch emotionale Pestilenz, des „besseren, reineren, klügeren Menschen“ . Wilhelm Reichs „Christusmord“ und Orwells „1984“ lassen grüßen und es gelingt mir gerade nicht, zu verhindern, in Zynismus zu verfallen!
Also dann:
Auf welcher Seite des Grabens stehst du?
Schwarz oder weiß?
Rechts oder links?
Gut oder böse?
Es gibt kein dazwischen!
Also entscheide dich!
Und wenn du dich entschieden hast, dann greife zur Waffe! Die Reihen fest geschlossen!
Denn die feindliche Gruppe ist dann klar definiert! Pack das Label drauf und drück ab!
Oder lieber doch nicht?
Dann nimm die Hand vom Abzug!
Denn die Hand des Friedens ist immer die offene Hand des Dialoges! Fangen wir endlich damit an! Auf allen Ebenen und durch unsere eigenen Schatten hindurch!
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Tag der Deutschen Einheit – Proteste in Dresden (03.10.2016)