Der Riss wächst!

Der Riss wächst!

Wie wir es „schaffen“, dass sich die Bevölkerung noch weiter radikalisiert.

Ein GASTBEITRAG von Ralf Schurig

Landtagswahl in Sachsen Anhalt. Die AfD bekommt 24,2 % der Stimmen, ein Aufschrei geht durch’s Land. 24,2 % aus dem Stehgreif. Das ist schon erstaunlich und sollte nicht nur Grund zu äußerster Besorgnis sein, sondern auch ein Grund, sich zu fragen, wie es überhaupt soweit kommen konnte. Und da macht man es sich zu einfach, wenn man meint, dass die AfD-Wähler allesamt nur dumm wären und der rechten Bauernfängerei aufgesessen sind. Natürlich sind sie das. Wer das Wahlprogramm tatsächlich gelesen hat und noch immer AfD wählt, nur weil sie eben in der Flüchtlingsfrage die eigenen Ansichten teilt, wählt tatsächlich nur aus Hass auf Ausländer oder aus schierer Wut auf das bestehende System oder aus Angst um die Brotkrümel, die es uns zuwirft. Es ist ja durchaus legitim das System verändern zu wollen, doch schafft man das nicht, wenn man eine Partei wählt, die selbst die wenigen positiven Entwicklungen der letzten Jahre rückgängig machen will.
Doch wenn man sowas einem eingefleischten AfD-Wähler sagt, dann redet man gegen Mauern und das ist auch absolut verständlich. In diesem Zusammenhang bin ich über meine Zeit bei den Mahnwachen sehr froh, denn ich durfte einen psychologischen Mechanismus live beobachten, der auch bei AfD-Wählern eindeutig zu Tage tritt. Die Regel ist ganz einfach: Wenn du willst, das jemand in seinen Ansichten verhärtet, sich radikalisiert und sich für Argumente taub stellt, kritisiere ihn und werte ihn ab! Ein Raubtier, das man in eine Ecke drängt, wird früher oder später zuschlagen. Das ist im Grunde die reziproke Regel zum Taubheitsgesetz der Demokratie: Wenn du willst, dass die Menschen die Füße still halten, dann lass sie sagen was sie denken aber höre ihnen einfach nicht zu!
Ja, vielleicht müssen wir einfach lernen Meinungen auszuhalten, die nicht unseren moralischen Vorstellungen entsprechen. Anstatt immer wieder empört auf Aussagen von AfD und deren Wählern zu regieren, weil sie so überhaupt nicht in unser Weltbild passen, hilft es vielleicht viel mehr, wenn wir mal nachfragen, wie man denn zu einer solchen Gesinnung kommt. Denn dabei ist unser Gegenüber gefordert, seine eigenen Dogmen bewusst zu reflektieren. Vor allem aber muss jemand, dem man zuhört, seine Meinung nicht rausschreien um gehört zu werden. Natürlich fehlt bei vielen Menschen die nötige Anzahl an Hirnwindungen für Reflexion und solche Versuche werden manchmal einfach scheitern. Das darf uns aber nicht davon abbringen, es weiter zu versuchen, diejenigen zum Nachdenken zu bewegen, die noch dazu in der Lage sind.

Es ist schon auf eine seltsame Art faszinierend, dieses AfD-Phänomen. Vor allem in den neuen Bundesländern – da, wo die inländischen Ausländer wohnen, die Ausgegrenzten, da wo die Wirtschaft nach der Wende einfach abgebaut wurde, Treuhänder ihnen die Arbeitsstellen buchstäblich weggenommen, Horden von Versicherungsvertreten aus Westdeutschland unzählige naiven Ossis ausgeplündert haben – da hat man Ressentiments gegen neue Einflüsse von Außen, ja sogar eine tief sitzende Angst davor. Seltsam. Nicht?
Nun lebe ich in Sachsen-Anhalt und werde auf Kurz oder Lang sehen, was passiert, wenn die AfD eine starke Opposition bildet. Vielleicht muss ich bald fliehen, weil ich bei der Integration von Ausländern helfe. Vielleicht läuft es wie mit den Piraten, bei denen man es ja auch mit Personalquerelen geschafft hatte, sie innerhalb von zwei Jahren zu einer Randerscheinung zu machen. Was passieren wird, wird die Zeit zeigen.
Das was mir aber am meisten Sorgen macht ist, dass man sicher auch nach diesen Landtagswahlen weiter einfach nur blind Kritik an der AfD und deren Wählern üben wird und sie damit weiter radikalisieren wird. Wenn dann die NPD auch noch verboten wird, kann sich die AfD über weitere Zuwächse und Radikalisierung freuen. Ausnahmsweise betreibt der Staat hier das Gegenteil des Teile-und-Herrsche-Prinzips. Wenn schon ich in meinem kurzen Leben begriffen habe, dass man, um eine radikale Bevölkerung zu züchten, nur immer fleißig diffamieren und kritisieren, statt zuhören, muss, dann stellt sich für mich, angesichts des Wahlprogrammes der AfD und des scheinbar tumben Verhaltens der regierenden Parteien die leider ziemlich verschwörerisch klingende Frage, ob dieser kometenhafte Aufstieg wirklich ein so großer Zufall war.
Eine Sache zeigen die Landtagswahlen aber ganz klar und deutlich: Vor allem in den neuen Bundesländern hat man die Klientelpolitik der etablierten Großparteien satt. Man will eine Alternative. Das die AfD keine echte Alternative ist, sollte vielmehr ein Ansporn sein, echte Alternativen zum bestehenden System zu schaffen. Alternativen jedoch, die nicht im Widerspruch zu den modernen Gegebenheiten einer globalen Gesellschaft stehen. Vielleicht steht ja schon 2017 auch mal eine echte Alternative auf dem Wahlschein…

…wenn’s den Herren denn genehm ist.

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