Gedanken zur Präsidentschaftswahl in den USA

Ein Gastbeitrag von Thomas V Weiss.

Nun steht es fest, Donald Trump ist neuer US-Präsident. Einen Hetzer, einen Rechtspopulisten, einen Rassisten und einen Sexisten nennt man ihn. Unberechenbar sei er und in der Tat hat dieser Mann während des Wahlkampfes Aussagen getätigt, welche bestätigen, dass er einer ist, dessen Ideen man in der Realität zum Großteil lieber nicht umgesetzt haben möchte. Was er etwa über die Mexikaner, aber auch über Menschen islamischen Glaubens daher geredet hat, ist zum Teil echt verachtenswert. Auch in anderen Punkten zeigt er deutlich, dass er ausgrenzende und stellenweise rassistische Politik betreibt. Alles in allem also ein Präsident, den ich für meinen Teil niemals wählen würde.

Nun verhalten sich die Dinge aber selten so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen und ist niemand nur gut oder schlecht. Das gilt auch für Trump. Um zu erkennen, wie er es so weit schaffen konnte, muss man tiefer in die Politik und die sozialen Strukturen seines Landes blicken. In den USA gibt es bereits mehr als 40 Millionen Arme, Tendenz steigend. Viele Familien sind derart arm, dass sie ihre toten Angehörigen auf die Straße legen, weil sie sich ein Begräbnis nicht leisten können. Manche haben wirklich gar nichts mehr. Sie besitzen weder ein Heim noch können sie sich ärztliche Versorgung leisten. In diesem Kontext ist die Verzweiflung der Menschen zu sehen, einen Donald Trump zu wählen. Er verspricht Veränderung. Außenpolitisch könnte er deshalb einen Lichtblick darstellen, weil er die Nato kritisch sieht und sie abspecken möchte, aber auch, weil er die Freihandelsabkommen nicht unterstützen und vor allem weil er bessere Beziehungen zu Russland haben möchte. Sollte ihm das Gelingen, wäre das sicher gut. Die Bedenken transatlantischer Bündnisvertreter, Russland könnte eine Schwäche Amerikas ausnutzen und sich aggressiv gegenüber Nachbarstaaten verhalten ist billigste Natopropaganda und in keiner Weise haltbar.

Nun wird Trump gerne als Rechtspopulist und hasserfüllter Demagoge dargestellt, während Clinton gerne als besonnen und liberal verkauft wird. Also rechts gegen links, böse gegen gut. Wenn es nur so einfach wäre. Die Politik erscheint weltweit zunehmend verworrener und chaotischer. Bei genauerem Hinsehen aber kommt man schnell zu dem Schluss, dass das kolportierte Bild so nicht stimmt. Während ein Bernie Sanders gewiss ein Segen für Amerika und die ganze Welt gewesen wäre, glänzt Clinton nicht mehr so sehr, wenn man mal an der Oberfläche kratzt. Ist Trump ein Demagoge, muss man Clinton eine Demiurgin nennen, eine Weltordnungsschafferin, die in den letzten Jahren bewiesen hat, wozu sie fähig ist und wofür sie steht. Ihren eigenen Aussagen und diversen Enthüllungen (Wikileaks) zufolge ist diese Frau direkt oder indirekt verantwortlich für den Tod von vielen tausend Menschen, wie etwa in Libyen oder im Nahen Osten. Auch hat sie deutlich gemacht, wie sie als Präsidentin mit Syrien, dem Iran und Russland umgehen würde. Szenarien, welche die düstere Vorahnung an einen dritten Weltkrieg aufkommen lassen. Sie wäre für den Militärisch-Industriellen Komplex die beste Wahl gewesen.

Ich möchte überhaupt all jenen, die Trumps Politik und Ansichten (meist zurecht) als gefährlich und rassistisch verurteilen nur raten, sich einmal mit den Auswirkungen der herkömmlichen US-/Nato- und EU-Politik zu befassen. Es ist kaum in Worte zu fassen, was diese Politik seit Jahrzehnten auf der Welt anrichtet. Nicht nur, dass die Menschen in den USA und Europa immer mehr in die Armut und die Herrschaft der Banken und Konzerne getrieben werden, auch die noch viel ärmeren Menschen aus Entwicklungsländern werden schonungslos ausgebeutet, sei es durch Krieg, sei es durch Spekulationen auf Nahrungsmittel und ähnliches. Wenn ein Mann wie Obama, dessen Politik fast tägliche Drohnenangriffe auf Menschen beinhaltet, den Friedensnobelpreis erhält, stimmt gewaltig was nicht. Am Ende erscheint das Bringen „westlicher Werte“ als unglaublich zynisches und blutiges Märchen. Die USA bringen keine Werte, sie holen sie sich. Übrig bleiben „Failed States“, die man weiter bis auf die Knochen aussaugt.

Leider sind sich die wenigsten Menschen über die wahren Ursachen all unserer Probleme bewusst. Die beiden Schlagwörter hierfür sind Imperialismus und Neoliberalismus. Der Imperialismus ist ein bekanntes Phänomen, welches die ganze Geschichte hindurch in wechselnden Rollen immer wieder größtes Unheil angerichtet hat. Die USA handeln imperialistisch, es geht im Prinzip um die Weltherrschaft, genannt Hegemonie oder „New World Order“. Das zweite Phänomen ist weit weniger bekannt und fast unsichtbar – der Neoliberalismus. Als extrem aggressive Form des Kapitalismus hat sich dieses System den Imperialismus als Methode einverleibt und zieht eine tödliche Spur durch die Welt. Es geht nicht mehr so sehr um ein großes Amerika als Staat, es geht um das Überleben und die weltweite Umsetzung dieses Systems auf der ganzen Welt. Freihandelsabkommen, Privatisierungen und Schulden sind klassische Symptome und Werkzeuge für diesen Wahnsinn. Die USA haben ihre Rolle als Produktionsland weitgehend verloren zugunsten einer Dienstleistungs- und Spekulationsökonomie. Wenn Vorstände von Hedgefonds im Monat viele Millionen Dollar machen, während Menschen in Zeltstädten verkommen, läuft gewaltig was falsch. Trump, um nochmal auf ihn zurück zu kommen, wird an den Problemen in Sachen Finanz und Ökonomie nicht wirklich was ändern können, weil man schon zu tief in der Schulden- und Wachstumsspirale gefangen ist. Weder mit Einsparungen, noch mit Investitionen wird er was ändern. Das System, welches ständiges Wachstum braucht, wird fast nur noch mit günstigen Krediten, das heißt Schulden, am Laufen erhalten. Schulden, die man immer erhöhen muss. Zinseszinsen sind genau so wie die Wachstumsnotwendigkeit exponentiell und daher auf Dauer nicht zu zahlen bzw. zu erhalten. Die Lösung dieser Probleme liegt gewiss nicht im Wählen eines Mannes, der Zuwanderern oder anderen Kulturen die Schuld für vieles gibt, aber auch nicht in der Wahl einer Dame, welche eine militärische Expansion zur Aufrechterhaltung des Komapatienten Neoliberalismus als Notwendigkeit sieht. Die Lösung könnte aus dem Volk kommen, aus einem veränderten Konsumverhalten und aus einer Verweigerung der ständig neu geforderten Distanzierung zu anderen Menschen und aus dem Ende des gleichzeitig wachsenden Hasses. Die Lösung wäre das Beenden des Kapitalismus, also des amerikanischen Traumes schlechthin. Und ob das die Menschen jemals verstehen und einsehen werden, steht in den Sternen, genau so wie das Verhalten eines Präsidenten, der für manche das kleinere, für andere das größere Übel, auf jeden Fall aber ein Übel ist.

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